Highlights des Monats
Auf dieser Seite präsentieren wir Ihnen jeden Monat ein neues Objekt aus der NÖ Landesbibliothek.
Oktober 2024 - Assignaten
Bücher erzählen ihren Lesern Geschichten – diese Erkenntnis ist trivial. Manchmal jedoch erzählen Bücher Geschichten über Geschichte(n), und damit können wir auch jenseits der Geschichtsbücher spannende Erkenntnisse über Geschichte gewinnen.
Konkret betrachten wir in diesem Monat zwei bemerkenswerte Funde aus den Beständen der Niederösterreichischen Landesbibliothek. In zwei Bänden der „Geschichte der Girondisten“ von Alphonse de Lamartine (1790-1869) aus dem Jahr 1847 fanden sich je eine Assignate, aufgeklebt auf den jeweiligen Nachsatz.
Was sind Assignaten?
Assignaten in ihrer bekanntesten Ausprägung (zuvor hatte das Russische Reich mit dieser Währungsform experimentiert) stellten den sehr kurzlebigen Versuch der jungen, revolutionären französischen Republik dar, ihre vom Ancien Régime ererbten fiskalischen Probleme durch die Verwendung des neuen Mediums Papiergeld zu mildern und durch dieses Fiatgeld die Wirtschaft zu stimulieren. Die erst einige Jahrzehnte zuvor gescheiterte Einführung von Papiergeld durch John Law in Großbritannien mahnte die Zeitgenossen zwar zur Vorsicht; dieses Mal aber würde die Stimulation der Wirtschaft durch Papiergeld funktionieren. Nur sieben Jahre später sollten die Assignaten als Währung wieder abgeschafft werden.
Beschreibung Assignate 1
Wir haben eine Assignate aus der Frühphase der Revolution vor uns, wahrscheinlich aus der Zeit um das Jahr 1791. Die Maße der Banknote sind 19,5 x 11 cm.
In der Mitte prangt ein Profilbildnis Ludwigs XVI. Man erkennt traditionelle monarchische Embleme wie die drei Lilien, aber schon starke Einflüsse der Revolution wie den Satz „Das Gesetz und der König“; im Vorgriff auf die Entchristianisierungskampagnen der Jahre 1793/1794 fehlt bereits der Gottesbezug.
Die Assignate ist kunstvoll mit floralen, teils antikisierenden Motiven verziert. Die Nationalversammlung, aber auch der König garantieren den Wert der Banknote; der hohe Nominalwert von 300 Livres darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der reale Wert der Banknote aufgrund von Inflation und Münzverschlechterung nicht hoch gewesen sein dürfte.
Man erkennt an diesem Objekt den Übergang von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie. Dieser Übergang war jedoch ein sehr kurzer – nur knapp zwei Jahre nach Drucklegung dieser Assignate mit dem Monarchenhaupt war selbiges vom Rumpf getrennt. Das zeigt, wie kurz historische Übergangsphasen sein können.
Beschreibung Assignate 2
Die zweite Assignate, gedruckt im zweiten Jahr der Republik (zwischen September 1793 und September 1794), besitzt die Maße 17 x 11 cm.
Die Banknote weist ein nüchternes Erscheinungsbild auf. Im Vergleich zur ersten Assignate wird auf floralen Zierrat verzichtet, auf monarchische Elemente sowieso. Stattdessen schmücken rein revolutionäre Motive wie die phrygische Mütze die Ecken des Objekts. Das Haupt des Königs ist verschwunden, ebenso der christliche Kalender, und lediglich die (Erste) französische Republik garantiert den Nennwert.
Der Rahmen ist darüber hinaus historisch ungemein interessant. Kraft des Gesetzes wird Geldfälschern der Tod angedroht (sie waren eine reale Bedrohung für die Wirtschaft der Republik, da Großbritannien die leicht fälschbaren Banknoten en masse nachdruckte, um ihre Konkurrentin zu schwächen) sowie Denunziatoren eine Belohnung durch die Nation in Aussicht gestellt.
Spannend wird es auch an den Seitenrändern. Neben den bekannten Revolutionsprinzipien der Frei- und Gleichheit erkennt man die Grundsätze der „Einheit“ und „Unteilbarkeit“. Auch diese beiden Worte dürften ein Zeichen der stürmischen Entwicklungen dieser Epoche sein. Bezeichnenderweise musste die „Brüderlichkeit“ diesen einem nationalen Schulterschluss dienlichen Worten weichen.
Eine weitere Besonderheit des Objekts ist ein eingeprägter Stempel, welche allegorisch eine weibliche Gestalt mit phrygischer Mütze zeigt, welche ihre Hand an zwei Gesetzestafeln auf einer mit Zirkelsymbol versehenen Stele legt. Die Bildsymbolik lässt auf den zeitgenössischen Kult des Höchsten Wesens schließen, welcher zeitweise als neue Staatsreligion den Katholizismus des Ancien Régime ersetzen sollte.
Verbindung zum Buch
Warum sich der Vorbesitzer konkret zur Applizierung dieser beiden Assignaten in den genannten Bänden veranlasst sah, muss letzten Endes Spekulation bleiben. Die beiden Banknoten hatten weder einen Sinn als Lesezeichen, noch wäre die Anbringung im Buch als Versteck geeignet gewesen (insbesondere deswegen, weil eine Ablösung ohne Beschädigung wohl kaum möglich sein dürfte).
Lediglich die historische Verortung der Girondisten (1791-1793), welche in den beiden Bänden behandelt werden, wäre ein Hinweis darauf, warum diese Assignaten in sie eingeklebt wurden.
Erhaltungszustand
Beide Exemplare weisen Stockflecken auf; diese sind aufgrund des Alters und der mutmaßlichen Lagerung nicht ungewöhnlich.
Die einzelnen Banknoten wurden mit Tinte signiert und nummeriert. Diese hat sich bemerkenswerterweise nicht in das umliegende Papier gefressen und es somit auch nicht beschädigt.
Die Ränder der Assignaten weisen geringe Abnutzungserscheinungen auf, dürften aber nicht allzu oft berührt worden sein.
Fazit
Es zeigt sich immer wieder, wie Geschichte und das Medium Buch auf spannende Weise verbunden sein können. Leider muss ein großer Teil der hinter diesen konkreten Objekten befindlichen „Geschichte“ Vermutung bleiben.
Auffällig ist die historische Distanz zwischen dem Druck der beiden Assignaten und der gleichsam als Schutzbehälter verwendeten Bücher, liegen doch mehr als fünfzig Jahre dazwischen.
Letzten Endes bleibt die Erkenntnis, wie lehrreich und spannend die Tätigkeit in einer Bibliothek sein kann – ist doch eine Bibliothek nichts anderes als eine Schatzkiste, die für ihr Publikum immer wieder Überraschungen bereithält.
Autor: Johannes Haslhofer (Oktober 2024)
Die Vorwissenschaftliche Arbeit hat in zumindest einer Hinsicht kein österreichisches Schicksal ereilt: Häufig werden in Österreich rezipierte ausländische Innovationen erst mit großer zeitlicher Verzögerung übernommen, dann aber meistens auch weitaus länger beibehalten als im Vorbild gebenden Ursprungsland: – eine viel belächelte, häufig beklagte doppelte Rückständigkeit. Nicht so bei der VwA: Während die Einführung im Unterschied zu beispielsweise der Schweiz (Maturaarbeit 1995) oder Frankreich (Travaux personnels encadrés 1999) erst 2012 erfolgte, ist die für 2025 in Aussicht genommene Abschaffung (bzw. der Übergang zur freiwilligen, nicht mehr an den medialen Inhaltstyp Text gebundenen „Abschließenden Arbeit“) der Anlass für unsere Wahl zum „Highlight des Monats“.
Zum ersten Mal ziehen wir also diesmal kein physisches Artefakt, sondern eine bibliothekarische Unterstützungsdienstleistung, die wir Schülern und Begleitlehrern bereits knapp nach Instradierung der VwA 2012 anzubieten begonnen haben, in den Fokus unserer Betrachtung. Als eine der ersten wissenschaftlichen Bibliotheken Österreichs erweiterte die Niederösterreichische Landesbibliothek ihr Serviceangebot im Bereich des Informations- und Auskunftsdienstes um Rechercheschulungen zur Literatursuche speziell für angehende VwA-Schreibende. Heute können Termine nicht nur im Klassenverband, sondern auch individuell und nicht nur im Zusammenhang der Literatursuche, sondern auch zur gemeinsamen Lektüre von Texten und bei Argumentations- und Schreibproblemen gebucht werden. Bis zu 250 Schüler diverser Gymnasien und Berufsbildender Höherer Schulen (vor allem aus dem Most- und Waldviertel und dem NÖ Zentralraum) nehmen dieses Angebot jährlich in Anspruch.
Die ursprüngliche bildungspolitische Motivation, durch eine weniger vertikale Beziehung zum Lehrer für die Schüler eine Abwechslung zum lehrerzentrierten Unterricht zu sein, da sie selbständig und eigeninitiativ arbeiten sollen – ein Thema finden und es argumentativ problematisieren, die schriftliche Ausfertigung planen und anschließend ihre Arbeit einer Jury präsentieren –, blieb in der Ambivalenz konkurrierender Auffassungen dieses Motivs insofern stecken, als es für die Schüler zunächst einmal mehr Lernerautonomie, freie Zeiteinteilung, durch autorisiertes und ermutigtes Surfen im Internet sogar die Suche nach Unterhaltung und Vergnügen bedeutet. Gleichzeitig liegt im Epitheton vorwissenschaftlich für den Lehrer vor allem auch die Anforderung an fachlichen Ernst und methodische Disziplin.
Doch nicht diese Uneinheitlichkeit im Aufgabenverständnis wurde der VwA zum politischen Verhängnis, sondern vielmehr die Einheitlichkeit des Wunsches von Lehrern, Schülern und Eltern sie loszuwerden. Da in der Politik freilich das Wünschen, solange es nicht machtbewährt ist, so wenig wie anderswo hilft, haben den entscheidenden An- und Todesstoß vermutlich die Berufsvertretungen der Lehrer gegeben, die in beiden Koalitionsparteien der aktuellen Bundesregierung die Politikformulierung im Schulbereich dominieren und im amtierenden Bildungsminister keinen Widerpart haben wie es beispielsweise der französische Geowissenschaftler Claude Allègre war. Dieser hatte als Minister für nationale Bildung, Forschung und Technik im sozialistischen Kabinett von Lionel Jospin 1999 die Einführung der TPE gegen den erbitterten Widerstand der sozialistischen Lehrergewerkschaften durchgesetzt, weil er in ihr ein wesentliches Inzitament und Propädeutikum für autonome Forschungsaktivitäten von Schülern und eine gute Vorbereitung auf universitäres Studieren sah.
Politisches Gewicht haben selbstverständlich auch die Eltern, die in der Annahme einer relativ schlechter gewordenen Bildungsrendite in der schulischen Unterstützung ihrer Kinder zu fast jedem Engagement bereit geworden sind: Eine für frühere Generationen unvorstellbare Überinvolviertheit der Eltern ist zum zeitgenössisch dominanten Erziehungsverhalten in schulischen Angelegenheiten geworden: Wenn nichts im Schulleben der Kinder schiefgehen oder dem Zufall überlassen werden kann, alle (vermeintlichen) Hindernisse aus dem Weg geräumt und potentielle Gefahren frühzeitig beseitigt werden müssen, dann ist der Wegfall einer anstrengenden Großaufgabe wie der VwA willkommen.
Politisch am einflusslosesten sind selbstverständlich die Schüler, die in Österreich im Unterschied zu Frankreich auch zu keiner Zeit durch besondere politische Militanz aufgefallen sind. Doch selbst ihnen ist man mit dem Angebot, nicht mehr auf diskursiver Schriftlichkeit zu bestehen, sondern auch ästhetisch-künstlerische Ausdrucksformen und Medienformate zu akzeptieren, entgegengekommen.
Die Notwendigkeit der Schulung des Textverstehens zur Vermeidung einer gesellschaftlichen Spaltung in solche, die durch die Pforte der Schrift Zugang zum überquellenden Leben der geistigen Welt bekommen und anderen, die sich vorwiegend aus Bildern und mündlich informieren, wird in bildungspolitischen Sonntagsreden gerne von jenen behauptet, die zugleich den Schrifttext als zentrales Medium des Schulunterrichts zusehends aufzugeben bereit sind. Diese Widersprüchlichkeit der bildungspolitischen Agenda ist freilich nicht nur politischem Gefälligkeitsopportunismus geschuldet, sondern entspricht dem okularterroristischen Unmittelbarkeitskult des Gegenwartskapitalismus.
Autor: Achim Doppler (September 2024)
Kupferstich und Radierung, 10,1 x 15,2 cm (Platte 11,7 x 15,6 cm, Blatt 11,9 x 16,2 cm, beschnitten). Beschriftet: Kheya. [NÖ Landesbibliothek, Topograph. Sammlung, Inv.-Nr. 2.854]
Im Gebiet der Stadtgemeinde Hardegg (Bezirk Hollabrunn) befindet sich die Burgruine Kaja. Die auf einem am Kajabach gelegenen Felssporn errichtete Anlage geht auf das Hochmittelalter zurück und war, wie unser Bild zeigt, bereits im 17. Jahrhundert dem Verfall preisgegeben. Der Künstler zeigt das Bauwerk in einer zerklüfteten Felslandschaft, in welcher die bewaldeten Höhen ebenso stilisiert wie überdimensioniert wirken.
Das mag für Vischer ungewöhnlich erscheinen, lässt er doch sonst das betrachtende Auge auf Höhe eines aus nicht allzu großer Entfernung dargestellten Adelssitzes ruhen und spart die umgebende Landschaft weitgehend aus. Hier aber wird der rund um Kaja sichtbaren Natur ein größerer Anteil am Bildganzen eingeräumt und die Kontrastwirkung gesteigert: Gewachsener Fels steht in einem Spannungsverhältnis zu menschlich Geschaffenem, welches wiederum mit den bewaldeten Höhen konkurriert.
Georg Matthäus Vischer (1628-1696) wurde in Wenns (Tirol) geboren und wirkte nach einem unsteten Wanderleben als Pfarrgeistlicher sowie „freier“ Kartograf. In dieser Eigenschaft schuf er hauptsächlich Karten einzelner Herrschaften und Länder sowie die bekannten Topografien Niederösterreichs, Oberösterreichs und der Steiermark.
Autor: Ralph Andraschek-Holzer (August 2024)
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild.
Auf Anregung und unter Mitwirkung Seiner kaiserlichen und königlichen Hoheit des durchlauchtigsten Kronprinzen Erzherzog Rudolf. Wien und Niederösterreich. 2. Abtheilung: Niederösterreich. – Wien: k. k. Hof- und Staatsdr., 1888. – VIII, 360 S.: Ill., Kt.; 22,5 x 27,7 x 2,7 cm (NÖLB, Druckschriftensammlung, 4.106 C 4).
Im Jahr 1884 richtete Kronprinz Rudolf an Kaiser Franz Josef I. ein Gesuch um Genehmigung und Patronage für die Herausgabe eines ethnografischen Werks über die Monarchie – mit Erfolg, denn zwei Jahre später lagen die ersten Lieferungen der bis 1902 alle Kronländer und Völker der Monarchie behandelnden Enzyklopädie vor. „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ erschien in einer 24-bändigen deutschen und einer 21-bändigen ungarischen Ausgabe. Das Gesamtwerk enthält hunderte Beiträge sowie tausende Textseiten und Illustrationen. Erwerben konnte man es in Lieferungen, aber auch in Gestalt einer luxuriösen Buchausgabe.
In einer Zeit zunehmender Nationalitätenkonflikte kam dem „Kronprinzenwerk“ ein eminent politischer Charakter zu. Sein Konzept verteidigt das politische und humanitäre Potenzial, welches in der ethnischen Vielfalt des Gesamtstaats begründet lag. Zugleich markiert das Werk die Anfänge der modernen Kulturwissenschaft in Österreich. In der Gestaltung von Texten und Bildern zeichnet es sich durch ein Ineinanderwirken von Ästhetik und Wissenschaft, Kunst und Politik aus. Insgesamt bildet es eine Fundgrube für die Kenntnis der Donaumonarchie und ihrer heute wieder geschätzten ethnischen Buntheit.
Für uns besonders interessant ist der 1888 erschienene Niederösterreich-Band. Neben „klassischen“ Darstellungen von Sehenswürdigkeiten wie der Melker Stiftskirche finden sich auch Einblicke in Industriebetriebe wie die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik. Darüber hinaus wird lokales Brauchtum vermittelt: Ein schönes Beispiel stellt das Bild eines Festumzugs zur Weinlese bei Klosterneuburg dar. Auch Landschaftliches kommt nicht zu kurz; so etwa wird die weite Ebene des Marchfelds vor Augen geführt.
Ein koloriertes Exemplar der Großen Niederösterreichkarte von 1697 befindet sich beispielsweise in der Kartensammlung der NÖLB (unter der Signatur AV 227 / 1697), online: https://www.noe.gv.at/noe/Landesbibliothek/Vischerkarte.html (29.5.2024).
Georg Matthäus Vischer - Die Große Niederösterreichkarte, 1670/1697
Der Tiroler Geistliche, Topograph und Kartograph Georg Matthäus Vischer (1628–1696) hatte sich durch seine kartographische Vortätigkeit bei den oberösterreichischen Ständen, für die er 1669 das aus 12 Blättern bestehende Kartenwerk Archiducatus Austriæ superioris geographica descriptio fertigstellte, beim Wiener Hof und den niederösterreichischen Ständen einen Namen gemacht. Durch die Protektion und Empfehlungen Graf Starhembergs erhielt Vischer, der seine kartographischen Kenntnisse wohl während des Dreißigjährigen Krieges erworben hatte, am 12. April 1669 den Auftrag der niederösterreichischen Stände, eine gerechte und verläßliche Mappa oder Landtafel des Erzherzogtums Österreich unter der Enns anzufertigen. In Windeseile, bereits nach acht Monaten, konnte Vischer das repräsentative und großangelegte Kartenwerk Archiducatus Austriæ Inferioris Accuratissima Geographica Descriptio [im Maßstab ca. 1:144.000, 118,5 x 174 cm] fertigstellen.
Die Große Niederösterreichkarte, in der Forschung besser als „Vischerkarte“ bekannt, wurde vom Augsburger Kupferstecher Melchior Küsell (1626–1683) gestochen und konnte 1670 an die niederösterreichischen Stände übergeben werden, die Vischer dafür ein Honorar von 3.600 Gulden überreichten.
Die Karte wird links und rechts von zwei mit Reben und Bordüren verzierten Schlingsäulen flankiert und wird komplett von einem Gradstreifen umrandet. Auf der Karte sind die Verwaltungs- und Landschaftsgrenzen des Erzherzogtums unter der Enns eindeutig zu erkennen, die Hauptstadt Wien wird übergroß proportional dargestellt. Gegenüber älteren Niederösterreichkarten, die inhaltlich allesamt auf die Laziuskarte zurückgingen, konnte die Vischerkarte trotz allen Ungenauigkeiten (beispielsweise sind die beiden nördlichen Viertel von Niederösterreich stark verkleinert dargestellt) mit großen kartographischen Fortschritten auftrumpfen. Für die Geländewiedergabe wurde eine perspektivische Zeichnung herangezogen (die Hügel und Berge werden als „Maulwurfshügel“ wiedergegeben), ein breites Donauband durchzieht die Landschaft des Erzherzogtums und präsentiert sich in der Karte als Lebensader des Landes. Nicht nur der Donauarm, sondern auch die restlichen Flüsse des Gewässersystems werden verhältnismäßig akkurat wiedergegeben. Poststraßen und -stationen, Waldflächen, Weingärten und Ackerflächen werden mittels Signaturen dargestellt.
Da Vischers Niederösterreichkarte von 1670 schon bald vergriffen war, brachten die niederösterreichischen Stände ausgehend von den Original-Kupferplatten, die sie seit 1670 (Vischers Ablieferung des Kartenwerks) aufbewahrt hatten, eine leicht adaptierte Ausgabe heraus. Bei der Neuausgabe von 1697, die ein Jahr nach Vischers Tod erschien, wurden die Namen Vischers und Küsells entfernt und durch die in Wien wirkenden Kupferstecher Jakob Hoffmann und Jakob Hermundt ersetzt. Auch das Konterfei und das Wappen Vischers (ursprünglich im rechten unteren Eck) wurden entfernt.
In der ursprünglichen Version von 1670 waren links oben Kaiser Leopold I. (1640–1705) und seine erste Gemahlin Margarita Theresia von Spanien (1651–1673) vor der Hofburg zu sehen, in der Ausgabe von 1697 wurde die Gemahlin durch seine mittlerweile dritte Ehefrau Eleonore Magdalena Theresia von Pfalz-Neuburg (1655–1720) ersetzt; auch seine beiden Söhne, die beiden Thronfolger und späteren Kaiser Joseph I. (1678–1711) und Karl VI. (1685–1740), wurden ergänzt.
Zusätzlich fügte man der Karte noch ein Suchgitter und ein alphabetisches Ortsregister bei, das unterhalb der Karte positioniert wurde und ein leichteres Auffinden der Ortschaften in der Karte ermöglichen sollte. Einzelne, in der Ausgabe von 1670 fehlende Ortschaften und Siedlungen kamen hinzu.
Autor: Tobias E. Hämmerle (Juni 2024)
[NÖ Landesbibliothek, Topogr. Sammlung, Inv.-Nr. 1.589]
Dieser großformatige Kupferstich entstammt einem einheitlich gestalteten Ansichtenquartett zu Frohsdorf. Der ursprünglich mittelalterliche Adelssitz erfuhr im Lauf der Zeit zahlreiche Umbauten, besonders unter der Familie Hoyos, welche im 17. und 18. Jahrhundert die Schlossherren stellte. Zu Molitors Zeit wurden eine Neufassadierung des Schlosses sowie die Anlage des Landschaftsparks durchgeführt; diese Aktivitäten bildeten vermutlich den Anlass, die vier repräsentativen Kupferstiche in Auftrag zu geben.
Diese Druckgrafiken stellen eine Besonderheit im Rahmen der Bildüberlieferung zu heimischen Adelssitzen dar. Auf den ersten Blick muten sie durchaus barock an, wenn man an die Großzügigkeit der Landschaftsdarstellung denkt; sie instrumentalisieren die Natur aber auch neu, etwa als adelige „Erholungslandschaft“, kurzum als herrschaftlichen Kosmos, der auch ästhetisch erlebbar sein kann.
Das Besondere dieses Stichs ist zweifellos die Vordergrundbühne. Zwar scheint es sich bei Molitors Ansicht um einen der gewohnten Ausblicke in die Ferne zu handeln, welcher auch Schloss Eichbüchel und Kloster Katzelsdorf mit einbezieht; die prononcierte Darstellung eines Dorfes aber war damals etwas noch wenig Vertrautes. Gewiss: Bäuerliche Arbeiten ins Bild zu bringen, bedeutete nichts Neues; dies geschah aber vielfach formelhaft, ja teils karikierend. Hier aber scheint man tatsächlich auf eine Dorfstraße des späten 18. Jahrhunderts zu blicken, beobachtet – abseits aller Versatzstücke – Bauern beim Dreschen und beim Heutransport, ja kann buchstäblich in die „Höfe“ blicken.
Martin von Molitor wurde 1759 in Wien geboren und studierte an der dortigen Akademie bei Johann Christian Brand (1722-95). Wie sein Lehrer, so war auch Molitor ein gesuchter Spezialist für Landschaftsdarstellungen bzw. topografische Ansichten. Er starb 1812 in Wien.
[NÖ Landesbibliothek, Topogr. Sammlung, Inv.-Nr. 18.262]
Über einem in dunklen Farben gehaltenen Vordergrund erhebt sich der in grellem Sonnenlicht glänzende Burghügel, welcher allmählich in den Blick der Wandernden gerät: Das künstlerische Können Heideloffs zeigt sich hier in höchstem Maß, aber auch der Quellenwert seiner Gouache ist beträchtlich, weil sie als wohl letztes Bildzeugnis des bei Georg M. Vischer ausgewiesenen Bauzustands gelten darf, bevor der bereits sichtbare Verfall weiter um sich griff.
Auch in anderer Hinsicht ist dieses kleine Kunstwerk kostbar, zumal die Weißenburg in den „Historisch mahlerische[n] Darstellungen […]“ der Brüder Köpp von Felsenthal (1814/24) nicht vorkommt. Die bildliche Darstellung solcher Burgen, erst recht der verlassenen, erfolgte keineswegs kontinuierlich: Tatsächlich konnte es vorkommen, dass zwischen Vischers 1672 erschienener Niederösterreich-Topografie und der Zeit um 1800 keine einzige Abbildung so mancher Adelssitze entstand: Die Weißenburg bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme.
Josef Heideloff (1747-1830) war gebürtiger Mainzer und entstammte einer verzweigten Künstlerdynastie; aufgrund der Übersiedlung seines Vaters nach Wien wurde er zum „Österreicher“. An der Wiener Kunstakademie ausgebildet, spezialisierte sich Heideloff auf Landschaftsmalerei und schuf in den Jahren um 1800 unverwechselbare Gouachen niederösterreichischer Örtlichkeiten. Diese sind in etlichen öffentlichen Sammlungen zu finden; allein 23 Blätter werden in der NÖ Landesbibliothek aufbewahrt.
Im Laufe der Frühen Neuzeit war es zu einer Beschleunigung des europaweiten Nachrichten- und Kommunikationsnetzwerkes gekommen. Entscheidend dafür war die Verdichtung des Post- und Verkehrsnetzes. Die Familie Paar hatte ab 1622 die Oberhoheit über das Obersthofpostmeisteramt in Österreich, Ungarn und Böhmen sowie das Niederösterreichische Postmeisteramt. Bis zur Verstaatlichung des erbländischen Postwesens in den 1720er Jahren („Inkamerierung“) führte die Familie die Post de facto als Privatunternehmen, die in dieser Rolle allen Postmeistern und Postbediensteten übergeordnet war.
Auf den örtlichen Postroutenstraßen waren bis zur Einführung der Postkutschen („Ordinari-Fahrpost“) die reitenden Postboten (auch „Postillons“ genannt) unterwegs (siehe Abbildung), die für die Postabfertigung zuständig waren und die Briefpakete, denen auch die aktuellsten Nachrichten und (handgeschriebenen) Zeitungen beigelegt waren, zur nächstgelegenen Poststation beförderten.
Das ländliche Niederösterreich profitierte durch die Nähe zur Haupt- und Residenzstadt Wien, durchquerten doch alle Haupt- und Poststraßen zwangsläufig das Wien umringende niederösterreichische Umland.
Auf der kleinformatigen Umgebungskarte von Ybbs an der Donau (Signatur KI 200 / 1650, 40 x 29 cm), die wohl in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hergestellt wurde (leider ist die Karte undatiert), ist auch die örtliche Poststraße eingezeichnet (Nr. 9), die der Postreiter nehmen musste, um die Postlieferung zur nächsten größeren Poststelle, in diesem Fall Amstetten, zu transportieren.
Die Beschriftung der Manuskriptkarte enthält weitere Informationen über die nächstgelegenen Ortschaften und Gebäude, die zur Orientierung (beispielsweise für die reitenden Postboten) notwendig waren:
1. Statt Ybbs; 2. P. Fr. Closter; 3. Casarm von der Soldatesca; 4. Dorf und Kürchlein Särling; 5. Kemmelpach; 6. Neümarckt; 7. Ord: Straß nach Neümarckt; 8. Straß nach Carlßbach; 9. Jetzige Poststraß nach Ambstetten; 10. Neüangezeigte Straß und Prucken nach Ybbs.
Am Donaustrom gelegen ist das ab 1631/1632 errichtete Franziskanerkloster (Nr. 2) zu erkennen, das unter Joseph II. 1783/1784 aufgehoben wurde. Daneben befindet sich die von den niederösterreichischen Ständen initiierte Kaserne in Ybbs an der Donau (Nr. 3), die zwischen 1721 und 1723 als Kavalleriekaserne errichtet und 1780 zu einem staatlichen Versorgungshaus (Armenhaus) umfunktionierte wurde. Unweit der Stadt Ybbs (Nr. 1), hier dargestellt als wehrhafte Festung mit Bastionärsystem, befinden sich die Ortschaften Sarling (Nr. 4) – heute eine Ortschaft und Katastralgemeinde der Gemeinde Ybbs –, Kemmelbach (Nr. 5) und Neumarkt (Nr. 6). Feste Poststationen waren in nächster Umgebung zu finden: Die Poststationen der Ortschaften Kemmelbach (Nr. 5) und Amstetten befanden sich entlang der „Reichsstraße“, die über Oberösterreich ins Heilige Römische Reich führte. Für den rastlosen Postreiter – wie es im Gedicht von Lenau beschrieben wird – war somit der Verweis wichtig, dass die damals neue Poststraße (Nr. 9) Richtung Amstetten führte. Die Ortstraße (Nr. 7) führte nach Neumarkt und eine weitere Straße (Nr. 8) nach Karlsbach.
Postkarten wie diese geben uns einen medienhistorischen Einblick in die Frühe Neuzeit, als die Post Niederösterreichs noch Privatunternehmen der Familie Paar war. Die Poststraßen trugen ebenfalls dazu bei, die Landschaft auf Regionalebene zu strukturieren.
[NÖ Landesbibliothek, Druckschriftensammlung, Sign. 319 C]© NÖ Landesbibliothek
Bei diesem Werk handelt es sich um ein in lateinischer Sprache geschriebenes „Handbuch“ zu den österreichischen Franziskaner- bzw. Klarissenklöstern. Diese werden vorgestellt, indem sich das jeweilige Ordenshaus zunächst mittels eines Kupferstichs präsentiert (einschließlich Visualisierung des Patroziniums); es folgen die Nennung von Patrozinium, Ort und Land; den Abschluss macht stets ein mehrzeiliges Gedicht. In diesen Versen kann literarisch auf das Patrozinium oder polemisch auf „Glaubensfeinde“ angespielt werden; zugleich fungieren sie als Motti des Textabschnitts zum jeweiligen Kloster.
Als Autor dieses Werks fungierte der 1756 verstorbene Placidus Herzog. Er war als Provinz-Archivar gewiss der Berufenste, um über das Thema zu arbeiten; sein Name ist auch mit der „Capistrankanzel“ des Wiener Stephansdoms verbunden. Die „Cosmographia“ ist schon allein daher interessant, weil sie um quellenmäßige Fundierung bemüht ist und manche heute nicht mehr erhaltene Urkunde wiedergibt. Generell sind Herzogs Ausführungen umso wertvoller, als die wenigsten heimischen Mendikantenklöster von den josephinischen Aufhebungskampagnen verschont blieben.
Folgerichtig sind auch die in diesem Band versammelten Kupferstiche von größtem Quellenwert: Damals bestanden die betreffenden Baukomplexe noch und es konnten ihre Archive konsultiert und einschlägige Forschungen am jeweiligen Ort betrieben werden. Aufrechtstehende Gebäude, die von den Stichen so gut überliefert werden, wurden teils umgebaut, manchmal sogar abgetragen, jedenfalls nur in seltenen Fällen durch eine Ordensgemeinschaft neu besiedelt.
Dies geschah etwa in Eggenburg. Zeigt das bei Herzog veröffentlichte Bild noch das Franziskanerkloster, hat man nun ein völlig umgebautes Ordenshaus vor Augen. Der Eggenburger „Conventus ad B. Virginem de Candelariis“ wurde um die Mitte des 15. Jahrhunderts als Niederlassung der Franziskaner gegründet, 1783 aufgehoben und 1833 von den noch heute hier wirkenden Redemptoristen übernommen.
Der Eggenburg-Stich stammt, wie die übrigen Ansichten dieses Bandes, von Franz Leopold Schmitner (1703-61). Er durfte sich „Universitäts-Kupferstecher“ nennen und hatte sich auch auf Wallfahrtsbilder spezialisiert; ferner stach er nach Vorlagen anderer, so etwa die große Ansicht Melks aus der Vogelschau (1736) nach Franz Rosenstingl.
[NÖ Landesbibliothek, Topogr. Sammlung, Inv.-Nr. 7.107]
Der historische Marktort Spitz bildet einen der kulturellen Glanzpunkte in der Wachau. Dort kulminierten Bau-Initiativen des protestantischen Herrschaftsinhabers in der Errichtung einer 1613 der Öffentlichkeit präsentierten Schlosskirche, welche allerdings bereits 1620 (neben anderen Bauten) ein Raub der Flammen wurde und somit verloren ging; nur eine Ruine kündet von ihr. Hans Lorenz II. von Kuefstein (1578-1628) zeichnete aber auch für eine weitere architektonische Initiative verantwortlich, nämlich für die Erweiterung des evangelischen Friedhofs und für dessen bauliche Ergänzung durch einen Torturm mit Kanzel, von welcher aus Leichenpredigten gehalten werden konnten: den sogenannten „Pastorenturm“.
Dieses typische protestantische Friedhofsmobiliar (Rudolf Leeb) besitzt ein Gegenstück im oberösterreichischen Steyr; insgesamt aber sind solche Bauten in den österreichischen Erblanden selten: Dem Spitzer Turm kommt daher unter den heimischen Kulturschätzen eine besondere Rolle zu.
Emil Hütter (Wien 1835 – Wien 1886), war Kassier des Wiener Magistrates und künstlerisch Autodidakt. Als solcher schuf er zahlreiche Aquarelle und Bleistiftzeichnungen, wirkte aber auch als Sammler. Für die NÖ Landesbibliothek wurden 1888 zahlreiche Blätter aus seinem Nachlass erworben, welche einen Grundstock der Topografischen Sammlung unseres Hauses bildeten.
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